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(M)ein schön(st)es Urlaubserlebnis

Der Titel erinnert mich stark an meine Schulzeit, weil die Lehrer uns Schülern nach den Ferien meist mit dem Aufsatzthema „Mein schönstes Ferienerlebnis“ den Schulbeginn nicht gerade erleichterten. Besonders ich fand dies damals wenig erbauend, da Aufsatzschreiben nicht gerade meine stärkste Seite war. Deshalb bitte ich die geneigten Leser um Nachsicht hinsichtlich meiner schriftstellerischen Fähigkeiten in vorliegendem Erlebnisbericht.

Zunächst wollte ich gar nicht darüber schreiben, aber dann überlegte ich, warum eigentlich soll man diese Story der Nachwelt vorenthalten? Ich fand keine vernünftige Begründung dafür und so entschloss ich mich zu berichten.

Die Geschichte begab sich an einem schönen Tag im Juni. Wir waren mit zwei Pkw's und dem an den einen PKW angehängten Wohnwagen auf der Reise nach Norwegen. Die Verbindung PKW mit Wohnanhänger nennt man in Fachkreisen auch Gespann. Wahrscheinlich deshalb, weil der Fahrer eines solchen Gespannes aufgrund der aufgezwungenen langsamen Fahrweise jedesmal gespannt ist, wo auf unserer schönen Erde er abends zwecks Übernachtung eintrifft.

Der erste Zwischenstopp war auf einem Campingplatz in der Nähe einer deutschen Großstadt vorgesehen und konnte dort auch planmäßig erfolgen. Der kleine Ort, in dem sich der angesteuerte Campingplatz befindet, liegt an einem kleinen Teich und heißt - für mich völlig unverständlich - Großenteich. Nach meiner unmaßgeblichen Meinung müßte der Ortsname sinnvollerweise eigentlich Kleinenteich lauten. Nun, er tut es nicht, deshalb finden wir uns mit den Gegebenheiten ab. Aber dies sollte nicht das einzige bleiben, womit wir uns abfinden mussten.

Wir fanden den Campingplatz, fuhren durch die Einfahrt, parkten die Fahrzeuge und begaben uns zu einem mit dunklem Holz verkleideten älteren Gebäude, in welchem wir das vermuteten, was man üblicherweise als Rezeption bezeichnet, um uns anzumelden. Noch bevor wir das Gebäude erreichten, öffnete sich dort eine Tür, ein männliches Wesen, vermutlich der Platzwart, umgeben von einer nach Zigarettenqualm riechenden üblen Duftnote, trat uns entgegen und fragte geschäftsbeflissen, was er für uns tun könne. Die Rezeption - oder was wir dafür hielten - durften wir nicht betreten. Später wurden wir gewahr, daß es sich bei dem Raum hinter der Tür, aus der der Platzwart kam, um sein Wohnzimmer (evtl. auch Schlafraum), sein Büro, sein Rauchzimmer, den Lagerraum der am Vorabend bestellten Brötchen (die deshalb dementspechend seltsam nach Zigarettenrauch schmeckten) und um die Wechselstube handelte. Wechselstube deshalb, weil man 50-Cent-Stücke für die sogenannten Warmduschen benötigt. Betonen möchte ich, daß für die Campinggäste und solche, die es werden wollten (so wie wir), die Türschwelle die absolute Grenze bedeutete und sie war gleichzeitig die angedachte Verkaufstheke für die Brötchen sowie der Banktresen für Geldwechselgeschäfte.

Aber schön der Reihe nach. Der Platzwart fragte uns, was er für uns tun könne. Wir antworteten ihm, daß wir beabsichtigen, zwei Nächte auf seinem wunderschön am Teich gelegenen Campingplatz zu verbringen. Daraufhin ging er mit uns einige Schritte von dem Gebäude weg zu einem Punkt im Gelände - gleich einem Feldherrenhügel -, von wo aus man die etwas tiefer liegenden Stellplätze überblicken konnte, und versuchte uns zu zeigen, wo wir unsere Fahrzeuge hinzustellen haben. Ich verwende das Wort 'versuchte' deshalb, weil es ihm offenbar gründlich mißlang, uns seine Gedankengänge mit Hilfe seiner Gestikulationen, die wir etwas falsch deuteten, nahezubringen. Wir guckten mit ihm von dem Feldherrenhügel in östliche Richtung, wobei er auch seinen rechten Arm nach Osten streckte, während jedoch seine Finger, die - aus welchen Gründen auch immer und wir wollen keinesfalls darüber lästern - anscheinend verkrüppelt sind, nach Südosten zeigten. Dahin, an diese Baumgruppe sollten wir sooo den Wohnwagen hinstellen; dabei senkte er den rechten Arm und ließ ihn in schnellen Bewegungen in Ost-West-Richtung schlenkern. Dann schleuderte derselbe Arm mehrmals in Nord-Süd-Richtung und er sagte, so sollten wir die Autos davor abstellen, eines da und eines dort.

Daraufhin begab er sich in sein Gemach und wir uns zu unseren in Einfahrtnähe geparkten Fahrzeugen. Sodann begannen wir mit der weisungsgemäßen Belegung des uns zugewiesenen Stellplatzes. Zunächst zogen wir den Wohnwagen vor die besagte Baumgruppe, mit der Wohnwagentür zur Baumgruppe, jedoch vorsorglich mit entsprechendem Abstand zu den Bäumen, um zu vermeiden, daß wir, wenn wir morgens verschlafen aus dem Wohnanhänger stolpern, mit unseren hochherrschaftlichen Schädelknochen vor einen der Baumstämme donnern und selbigen unbeabsichtigt beschädigen.

Ich öffnete die Wohnwagentür, um die Wasserwage zur möglichst waagerechten Ausrichtung unseres Wohnfahrzeuges hervorzuholen, und traute meinen Augen nicht. Während der Fahrt hatte sich eine Tür des Oberschrankes in der Wohnwagenküche geöffnet und unser gesamtes melaminbeschichtetes Meißner Porzellan lag auf dem Fußboden verstreut - zum Glück unversehrt, da Melamin nahezu unkaputtbar ist.

Wir vermuteten, daß sich der Geschirrerguß ereignete, als wir in einer zig-Kilometer langen Baustelle auf der Autobahn A 1 gefahren sind, wobei wir die Standspur benutzen mussten, die als rechter Fahrstreifen diente. Wer auf dieser Strecke fährt, kann sich ein Bild davon machen, wie es ist, auf einer Mondlandschaft spazieren zu fahren. Warum auch dieser Teil der Autobahn die Bezeichnung A 1 trägt, ist mir ein Rätsel, denn im angesächsischen Sprachgebrauch ist A 1 dasselbe wie bei uns 1 a, also allererste Sahne. Aber wahrscheinlich deshalb, weil Flüssigsahne auf besagtem Fahrstreifen unweigerlich zu Schlagsahne geschlagen wird.

Während meine Frau im Wohnwagen das Geschirr zusammensuchte und den leergewordenen Schrank befüllte, erschien der Geräucherte auf seinem Feldherrenhügel und sprach die unmißverständlichen Worte: „Sie wollen doch nicht etwa sooo stehenbleiben?!“ Ich merkte, wie in mir langsam aber stetig der Blutdruck anstieg, meine Stirnadern anschwollen und meine Augen hervortraten. Während ich mit leerem Blick meiner besseren Hälfte beim Einsammeln unserer Teller und Tassen zusah, zählte ich langsam bis zehn, atmete dabei tief durch und redete mir gut zu: „Bleib ruhig, bleib ganz ruhig, Du hast Urlaub und niemand kann Dir etwas.“ Dies glaubte ich am Ende gar selbst, und ich bat den Platzhirsch höflich aber bestimmt, uns doch bitteschön nochmals zu erklären, wie er meint, daß wir uns besser platzieren können, wobei ich krampfhaft meinen Unmut zu unterdrücken hatte. Er tat sein Bestes, er begann nochmals die Erklärung mit dem richtungsweisenden Arm und Finger wie bereits oben beschrieben. Das einzig Neue an der Angelegenheit war, daß noch zusätzlich durch eine Nord-Süd-Bewegung zum Ausdruck kam, wir sollten uns näher an die Bäume stellen. Inzwischen war mein Blutdruck um einige mmHg gesunken, war jedoch noch hoch genug, um ihm unmißverständlich und mit erhobener Stimme an den Kopf zu knallen, daß er von vornherein hätte uns richtig einweisen sollen. Darauf hin verschwand der Verräucherte wieder von seinem Feldherrenhügel und wir hatten für den Rest des Abends Ruhe.

Nachdem im Wohnwagen das Geschirr wieder an Ort und Stelle verstaut war, mein Blutdruck sich normalisiert hatte, wir den Wohnanhänger näher an die Bäume rangiert hatten (allerdings mit der Tür zur entgegengesetzten Seite wegen der morgendlichen Gefahr für die Baumstämme, siehe oben), begaben wir uns daran - wie gewöhnlich nach Ankunft auf einem uns unbekannten Campingplatz - die Sanitäreinrichtungen zu suchen und zu begutachten, damit wir am nächsten Morgen (evtl. schlaftrunken) nicht erst mit der Suche beginnen müssen. Das, was wir suchten, befand sich allesamt in dem etwas ältlich anmutenden Gebäude, vor dem wir uns anfangs anmeldeten. Ach herrje! Zu welchem Museumsdorf gehört wohl die Hütte? Plötzlich war uns klar, warum hier die Campinggebühr so niedrig ist. Die Wasser- und Abflußrohre sind alle auf Putz verlegt, wobei der Begriff „Putz“ keinesfalls ernst zu nehmen ist. Die Spülkästen der WC (ja richtig, es gibt schon Wasserspülung, eigentlich hatten wir Plumpsklo's erwartet) - also die WC-Spülkästen befinden sich an der Wand hoch unter der Decke - mit Kette zum Ziehen daran - wie anno dazumal in den Nachkriegsjahren. Was seltsam anmutet ist, daß diese Spülkästen und deren Fallrohre wie nagelneu aussehen. Ich kann mich nicht erinnern, solche Typen jemals in einem Baumarkt gesehen zu haben. Das Rätsel ist geblieben, es konnte nicht gelöst werden, den Platzwart wollten wir keinesfalls befragen.

In einem der Räumlichkeiten befand sich ein Wasserboiler. Ein unmißverständlicher Aushang wies darauf hin, daß die Einstellungen des Boileres gefälligst nicht verändert werden dürfen, daß dies der letzte Boiler sei und es keinen mehr geben würde, sollte dieser seine Tätigkeit einstellen. Noch Fragen hierzu?

Auf dem Fenstersims der Platzwartkemenate lag die eine für sämtliche Toiletten zu verwendende Lokusrolle, von der sich die Toilettenbenutzerin bzw. der Toilettenbenutzer - zeitweise unter Aufsicht des Herrn Platzwartes - die jeweils benötigte Anzahl Blätter (nach Belieben einzeln oder am Stück) abreißen durfte. Wissen Sie vor jedem Gang zur Toilette, wieviel Clopapier Sie benötigen werden? Ich jedenfalls nicht, über diese Begabung verfüge ich leider nicht. Inwieweit die Verpflichtung bestand, unverbrauchte Clopapierblätter zur zentralen Rolle zurückzubringen, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich nahm mir vor, meine eigene Clopapierrolle unter den Arm zu klemmen, wenn ich zur Toilette gehe.

Nächster Tag. Zuerst der Gang zur Dusche. Was hatte der freundliche Herr gestern an der Anmeldung über die Funktionsweise der Duschen gesagt? Zuerst ausziehen, dann Warmwasserhahn voll aufdrehen, danach erst Münze einwerfen. Vier Minuten lang Warmwasser wurde versprochen. Also denn. Ich ziehe mich aus, drehe den Warmwasserhahn voll auf, springe splitterfasernackt aus der Duschkabine, werfe in den draußen befindlichen Automat die Münze ein, sofort höre ich das Wasser rauschen, springe wieder in die Duschkabine, verschließe die Tür von innen, prüfe die Wassertemparatur: Kalt, eiskalt! Ich lasse das Wasser etwas laufen, bei möglicherweise langen Leitungen dauert es halt ein bisserl, bis vom Heißwasserkessel das gute Naß am Duschkopf ankommt. Kommt aber nicht. Doch halt, zwischendurch wird es etwas wärmer, nach maximal einer Minute (nicht länger) kommt wieder nur noch kaltes Wasser. Notgedrungen wird kalt geduscht. Halloo, wie das erfrischt! Sofort ist man putzmunter. Und das nur für 50 Cent. Ist direkt ein Schnäppchen. Wer kann das schon so billig bieten. Als ich danach von meiner Frau hörte, daß in der Damenabteilung nur kaltes Wasser aus dem Duschkopf kam, nicht einmal für einen Augenblick warmes Wasser, merkte ich, daß trotz Kaltduschens mein Blutdruck wieder gefährlich anstieg, meine Stirnadern anschwollen und meine Augen hervorquollen. Wiederum war ich gezwungen, tief durchzuatmen und langsam bis zehn zu zählen. Danach ging ich los, um die am Vorabend bestellten Brötchen abzuholen. Diese wurden mir vom Platzwart gegen Bezahlung an der Türschwelle zu seinem verräucherten Mehrzweckraum überreicht. Bei dieser Gelegenheit nahm ich selbige beim Schopf und steckte ihm das Dilemma mit der Dusche. Das hätte ich mal besser nicht getan. So etwas wollte er ganz und gar nicht hören. Er erklärte mir nochmals die Funktionsweise der Dusche, die sich voll und ganz mit der von uns durchgeführten Handhabung deckte, und wollte - während dessen er mich wohl für bescheuert oder so ähnlich hielt, was ich an seinem Blick erkennen konnte - mit mir zu den Duschen gehen, um mir zu zeigen, wie recht er wohl hat und wie doof ich doch sei.

Blitzschnell wurde ich an eine Begebenheit von vor mehr als einem Dutzend Jahren in den neuen Bundesländern erinnert, damals gab es auch ein Duschenproblem und einen Campingplatztechniker, der zu jenen Ossi's zählte, die den Ruf der an sich strebsamen und fleißigen Ostdeutschen zunichte machen. Auf Einzelheiten bitte ich verzichten zu dürfen.

Als ich gewisse Parallelen des Campingmuftis von Kleinenteich zu dem Fall von damals gewahr wurde und mir auffiel, daß mein Gesprächspartner gewissen sächsischen Akzent vorwies (wenn auch etwas verwässert möglicherweise aufgrund einiger im Wessiland verbrachter Zeit), sah ich in der Fortsetzung der Diskussion keinen Sinn mehr, insbesondere im Hinblick auf die mir bekannte und zu befürchtende Uneinsichtigkeit und Unverfrorenheit des Campinggurus. Ich ließ ihn alleine zu den Duschen laufen und trug unsere Rauchbrötchen zum Wohnwagen.

Einen konnte ich am Tag der Abreise noch draufgeben: Nach dem Bezahlen unserer Rechnung vor der Türschwelle erdreistete ich mich und fragte, wo die Möglichkeit besteht, unsere Chemietoilette zu leeren. Da gab der Campingschrat kleinlaut zu: „Das geht bei uns nicht.“

Ich wundere mich fast über nichts mehr. Nur eines erstaunt mich: Dieser veraltete Laden hat doch tatsächlich eine eigene neuzeitliche Homepage im Internet. Au weh weh weh! Armes Deutschland! Wir fahren weiter in Richtung Norwegen.

Jetzt fragen sicherlich einige Leser, warum ich in der Überschrift vom schönen Urlaubserlebnis spreche, so schön könne doch dieses Erlebnis gar nicht sein. Denkste! Im Laufe der nächsten Wochen sollten wir manche Gelegenheit haben, Teile aus dieser Anekdote hervorzuholen und herzhaft darüber zu lachen. So bewahrheitet sich mal wieder der Ausspruch: „Niemand ist unnütz, er kann noch immer als schlechtes Beispiel dienen.“

(Ralph Wolligand)

 

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